Nanofasern sind die Technologie der Zukunft: Warum sind sie so attraktiv und wo helfen sie?

12.12.2022

Nanofasern begleiten uns seit Hunderten von Jahren. Bereits im Jahre 1600 beobachtete William Gilbert das Verhalten einer Flüssigkeit, die durch ein elektrisches Feld beeinflusst wurde, das durch das Reiben eines Bernsteinsplitters erzeugt wurde. Im Jahre 1887 veröffentlichte der britische Physiker Charles Vernon Boys ein Manuskript über die Entwicklung von Nanofasern und wie sie hergestellt werden könnten. Seine Entdeckungen halfen später dem amerikanischen Erfinder John Francis Cooley, das erste moderne Patent für das elektrostatische Spinnverfahren anzumelden. Das war im Jahre 1900.

 

Die größte Entwicklung fand im 20. Jahrhundert statt. Zwischen den Jahren 1934 und 1944 patentierte Anton Formhals zahlreiche verbesserte Verfahren zur Herstellung von mit Nanofasern angereicherten Textilgarnen. Im Jahre 1938 gelang es den beiden Wissenschaftlern Nathalie Rozenblum und Igor Petrjanow‑Sokolow, einen ultrafeinen Filter, auch Petrjanov‑Filter genannt, durch das elektrostatische Spinnverfahren herzustellen.

 

Zwischen den Jahren 1964 und 1969 schuf Sir Geoffrey Ingram Taylor die theoretischen Grundlagen des elektrostatischen Spinnverfahrens. Anfang der 1990er Jahre konnten Reneker und Rutledge zeigen, dass eine Reihe von Polymeren für das Spinnen von Nanofasern verwendet werden kann. Seitdem ist die Zahl der Veröffentlichungen zum elektrostatischen Spinnverfahren jedes Jahr exponentiell gestiegen.

 

Die Revolution des Elektrospinnens fand im Jahre 2004 an der Technischen Universität Liberec statt, wo das Team von Professor Jirsák die Erspinnung vom freien Spiegel der Flüssigkeit (= Liquid Free Surface Electrospinning) umsetzte. Im Jahre 2006 wurde durch die Gesellschaft ELMARCO die erste Industriemaschine mit einer Arbeitsbreite von 1600 mm verkauft. Die Nanospider‑Technologie gilt zu Recht als Durchbruch, vor allem wegen der Möglichkeit, Nanofasern in einem wirklich industriellen Maßstab herzustellen. All dies dank der Einfachheit, Zuverlässigkeit und Flexibilität der eingesetzten Rohstoffe.

 

Das öffentliche Interesse an der Nanofasertechnologie ist vor allem wegen Mund‑Nasen-Schutz und Atemschutzfiltern gestiegen. Nur wenige Menschen wissen, dass Nanofasern unser Leben seit vielen Jahren vereinfachen und verbessern. 

 

Warum werden Nanofasern so hoch geschätzt und wo helfen sie?

Nanofasern sind Fasern mit einem Durchmesser im Nanometerbereich, die aus verschiedenen Polymeren hergestellt werden können und daher unterschiedliche physikalische Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten haben. Alle Polymer‑Nanofasern sind aufgrund ihres hohen Verhältnisses Oberfläche zu Volumen, ihrer hohen Porosität, ihrer bemerkenswerten mechanischen Festigkeit und Flexibilität im Vergleich zu Mikrofasern einzigartig.

 

Wenn Sie nach einem Material suchen, das sowohl widerstands- als auch anpassungsfähig ist, sind Nanofasern die offensichtliche Wahl.

 

Im Vergleich zu herkömmlichen Fasern sind Nanofasern leicht, haben einen kleinen Durchmesser und eine variable Porenstruktur, wodurch sie sich ideal für eine Vielzahl von Fertigungsanwendungen eignen, wie z. B. Wasserfiltration, Schutzkleidung, Gewebezüchtung, Herstellung von Funktionsmaterialien und Energiespeicherung.

 

Darüber hinaus sind sie so variabel, dass sie sowohl aus synthetischen als auch aus natürlichen Materialien hergestellt werden können. So gibt es beispielsweise Kohlenstoff-, Polymer-, Graphit-, Kollagen- und Zellulose‑Nanofasern, und wir haben noch nicht alle Alternativen aufgezählt.

 

Wo helfen die Nanofasern?

Dank ihrer einzigartigen physikalischen Eigenschaften können Nanofasern i n vielen Bereichen menschlicher Aktivität eingesetzt werden. Es sind nicht nur ultrafeine Atemschutzmasken und Atemschutzfilter - Nanofasern helfen uns auch anderswo.

GEWEBEZÜCHTUNG

Beim der Gewebezüchtung werden die Nanofasern zur Herstellung von Scaffolds (Gerüsten) verwendet, die das Wachstum, die Vermehrung und die Reproduktion des zu ersetzenden biologischen Gewebes unterstützen. Sie werden am häufigsten verwendet, um Verbrennungen abzudecken und zu heilen und die Freisetzung und Abgabe von Arzneimitteln an das beschädigte Gewebe zu steuern.

 

Die inhärente biologische Abbaubarkeit des Scaffolds ermöglicht die Gewebetransplantation und -heilung, ohne dass das nanofaserige Gerüst chirurgisch entfernt werden muss.

 

FLÜSSIGKEITSFILTRATION

Im Bereich der Flüssigkeitsfiltration werden Nanofasermembranen eingesetzt, deren Poren in der Lage sind, selbst die kleinsten schädlichen Partikel aufzufangen. Aufgrund des hohen Verhältnisses Oberfläche zu Volumen und der spürbaren Oberflächenspannung werden Partikel, die kleiner als 1 Mikrometer sind, aufgefangen.

 

Die Nanofaser‑Filtertechnologie hilft unter anderem in Ländern der Dritten Welt, wo es notwendig ist, verunreinigtes Wasser zu filtern, um es trinkbar und gesundheitlich unbedenklich zu machen.

PHOTOVOLTAIK UND AUTOMOBILINDUSTRIE

Im Energiesektor ermöglicht die Wahl des richtigen Polymers die Leitung von Elektronen oder Ionen, was Nanofasern für die Energieerzeugung und -speicherung interessant macht. In diesem Bereich können die Nanofasern für Photovoltaikmodule, Batteriespeichersysteme und Kondensatoren verwendet werden.

 

Die Anwendung von Nanofasern in wiederaufladbaren Batterien, die die Eigenschaften von Silizium nutzen, wird derzeit geprüft. Dies würde die Effizienz der Lithiumbatterien in Plug‑in-Elektrofahrzeugen verbessern. Nanofasern werden bereits in der Automobilindustrie verwendet, um effizientere Kfz‑Filter herzustellen.

MILITÄRTECHNIK

Im militärischen Bereich werden die Nanofasern eingesetzt, um die Fähigkeit zur Erkennung chemischer und biologischer Stoffe zu verbessern. Mit Nanofasern angereicherte Kleidung verbessert den Schutz des Militärpersonals durch ihre Fähigkeit, Giftstoffe zu filtern und abzubauen.

 

Dieser besondere Anwendungsbereich hat zur Entwicklung von selbstreinigender persönlicher Schutzausrüstung geführt. Dazu gehören vor allem Masken, die aus zwei "Schichten" bestehen. Der erste dient der Luftfilterung, während der zweite Aktivkohle enthält, die schädliche Gase und Verunreinigungen absorbiert.

 

Derzeit wird an der Entwicklung einer solchen effektiven Nanofaser gearbeitet, die die Aktivkohleschicht ersetzt und damit die Atmungsaktivität des Gewebes  und den Komfort des Endverbrauchers verbessern soll. Darüber hinaus sind Nanofasern in der Lage, selbst so kleine Partikel wie Viren abzufangen.

SENSOREN UND MESSGERÄTE

Die bemerkenswerten Eigenschaften von elektrogesponnenen Nanofasern (wie große Oberfläche, Porosität, Flexibilität und relativ niedrige Kosten) machen sie zu einer hervorragenden Wahl für Sensoranwendungen.

 

Sie werden beispielsweise in Sensoren zur Überwachung biologischer Parameter wie dem Glukosespiegel bis hin zu Gasüberwachungssystemen eingesetzt. Im Rahmen des Schutzes der Soldaten werden neuerdings Nanofasersensoren in die Masken eingebaut, die den Träger warnen, wenn die Schadgaskonzentration lebensbedrohliche Werte übersteigt.

TEXTILINDUSTRIE

Nanofasern haben auch Anwendungen in Freizeit‑Funktionskleidung gefunden. Mikroporöse Nanofasermembranen haben das Potenzial, dem Träger Wärmekomfort zu bieten, die Wasserdichtigkeit zu verbessern und gleichzeitig den Wasserdampf wirksam abzuleiten.

WOFÜR WERDEN NANOFASERN SONST NOCH VERWENDET?

Zu den weiteren Anwendungen gehören:

  • Faserverstärkte Komposite,
  • Vliesstoffe,
  • Optische Geräte mit Flüssigkristallen,
  • Kosmetika,
  • Schutzkleidung,
  • Filter auf der Grundlage der Öl‑Wasser-Trennung.

Dabei ist zu beachten, dass sich viele dieser Anwendungen noch in der Forschungs- und Testphase befinden.

Verwendete Quellen:
https://filti.com/what‑is‑nanofiber/,
https://link.springer.com/referenceworkentry/10.1007/978‑3‑319‑42789‑8_54‑1,
https://www.linarinanotech.com/blogs/learn/what‑are‑nanofibers‑used‑for ,
https://www.technickytydenik.cz/rubriky/archiv/nanovlakna‑vcera‑dnes‑a‑v‑budoucnu_13910.html,
https://en.wikipedia.org/wiki/Electrospinning .

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